Über 400 Jahre Polemik

„Der Widerspenstigen Zähmung“ ist eine der ersten Komödien Shakespeares, die der englische Schriftsteller am Anfang der 1590 er Jahre schreibt: In der italienischen Stadt Padua tut sich der reiche Kaufmann Baptista schwer, für seine erstgeborene Tochter Katharina einen Mann zu finden, denn diese hat eine starke Persönlichkeit und will immer das letzte Wort haben- eine für damalige Verhältnisse emanzipierte Frau also. Der opportunistische Petruchio, der am liebsten reich heiraten würde, bittet trotz ihres freilaufenden Willens um Katharinas Hand. Petruchio fängt daraufhin an, die persönlichkeitsstarke Katharina zu „zähmen“. Dafür entzieht er ihr Schlaf und Essen. Das Stück endet mit dem Besuch einer nun unterworfenen Katharina bei ihrem Vater- die widerspenstige ist gezähmt. Das stark chauvinistisch geprägte Stück kann auch noch heute bei Aufführungen zu Polemiken führen. Die Selbstverständlichkeit der patriarchalen Dominanz im Werk, ist wohl einer der Gründe, warum erst zwei Choreografen eine Ballettadaption des Stückes entworfen haben. „Wir haben uns also dafür entschieden nicht von einer gezähmten Frau zu sprechen, sondern von einer außergewöhnlichen Frau, die keine Konzessionen macht und ihr Leben in der Hand hat“, erklärt Jean-Christophe Maillot, der 2014 eine Ballettadaptation des Shakespeareklassikers für das Moskauer Bolchoï Theater kreierte.

Tänzer, Choreograf und Direktor

Nach seiner Ausbildung zum Tänzer am Konservatorium in Tours und daraufhin an der École supérieure de danse de Cannes Rosella Hightower, gewinnt der damals siebzehnjährige Jean-Christophe Maillot den Prix de Lausanne, einer der prestigevollsten Preise für junge Tänzer. In Folge wird er von John Neumeier, Ballettdirektor und Chefchoreograf des Hamburger Ballett, nach Hamburg geholt, wo er über die folgenden fünf Jahre als Solist wichtige Rollen in den Choreografien des Amerikaners tanzt. Ein Unfall setz seiner Tänzerkarriere abrupt ein Ende und so kehrt Maillot nach Tours zurück, wo er sich als Ballettdirektor am Grand Théatre de Tours mehr und mehr der Choreografie widmet. Im Jahre 1993 wird er an die Spitze der Ballets de Monte-Carlo nominiert, wo er seither mehr als 30 Ballette konzipiert hat.  Unter seiner Führung wird das Repertoire des 50 Kopfstarken monegassischen Ensembles neu orientiert. Neben seinen eigenen Balletten lädt er auch internationale Choreographen nach Monaco ein, um dort Ballette für das Ensemble zu schaffen. Auch selbst entwickelt er Ballette für andere Ensembles, wie zum Beispiel im Jahr 2007 Faust, welches er auf Anfrage von Manfred Beilharz für das Hessische Nationaltheater in Wiesbaden entwirft, 2009 Norma für die Oper von Monte-Carlo, aber auch Romeo et Julia und Cendrillon für Ensembles wie das Essener Ballett, das Koreanische Nationalballett, das Stuttgarter Ballett, das Kongelige Ballet in Kopenhagen, die Grands Ballets canadiens oder auch das Pacific Northwest Ballet.  Zuletzt hatte er 2014 auf Anfrage Sergeï Filins das Shakespeare Stück „Der Widerspenstigen Zähmung“ für das Moskauer Bolchoï Theater adaptiert – ein historischer Moment, da es sich um das erste Mal handelt, dass ein ausländischer Choreograph eingeladen wird ein Ballett voller länge zu kreieren.

Eben dieses Ballett, hat er nun nach Monaco zurückgebracht und mit einigen Änderungen an das monegassische Ensemble angepasst. „Es ist ein Stück, das wir übernommen haben. Es wurde für die Tänzer des Bolchoï, im Bolchoï, geschaffen…ich bin sehr zufrieden, denn ich finde eine bestimmte Identität wurde durch die Tänzer der Ballets de Monte-Carlo gegeben, die, in meinen Augen, ein wenig mehr dem entspricht, was ich mir für dieses Ballett vorgenommen habe. Ich bin also stolz, sagen zu können, dass die Tänzer der Ballets de Monte-Carlo auf eine bestimmte Art, in der Lage sind die Tänzer des Bolchoï ein wenig zu übertreffen“, erklärt der Choreograf.

Italienische Alchemie für Katharina und Petruchio

Kaum treffender hätte J-C Maillot die Rollen nicht verteilen können. Denn nicht nur die Figuren der Protagonisten sind italienisch, auch die Tänzer, die sie zum Leben bringen, kommen aus dem Stiefelland.

Alessandra Tognoloni (geboren 1985) hat die Rolle der weiblichen Protagonistin, sprich der „widerspenstigen“ Katharina. Ihre Ausbildung hat sie am Konservatorium in Florenz und später an der Scuola del Teatro dell’Opera in Rom, sowie an der John Cranko Schule gemacht. Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung war sie von 2005 bis 2013 am Stuttgarter Ballett tätig (halb Solistin ab 2008).

Ihr gegenüber tanzt Francesco Mariottini (geboren 1985) als Petruchio. Der gebürtige Italiener hat seine Ausbildung an der Balletto di Toscana Schule und der Opus Ballet Schule in Florenz, sowie der Balletto di Toscana Junior Company gemacht. Zwischen 2003 und 2005 war er ebenfalls am Stuttgarter Ballett eingestellt.

OSCAR HEINKE

1/ BALLETT/ MONTE-CARLO 2019-20

2/ BALLETT/ MONTE-CARLO 2019-20

Mehr Information auf: www.balletsdemontecarlo.com

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