KOSTÜMBALL IM TUILERIENPALAST.(BAL COSTUMÉ AU PALAIS DES TUILERIES.)CARPEAUX Jean-Baptiste(1827-1875);Copyright Photo RMN-Grand Palais – G.Blot.

Der Maskenball der Oper

(RECHERCHIERT OSCAR HEINKE.)Kaum eine Maske ist heute bekannter als die des Phantoms der Oper. So wie neuzeitige Broadway- und Filmadaptionen des 1910 erschienenen Romans von Gaston Leroux das gegenwärtige Bildnis des scheußlichen Eriks prägen, so scheint die Opera Garnier auf immer mit dem bestimmt aber nicht bewiesen fiktiven Gespenst verbunden zu sein.

In diesem Artikel soll es auch um Masken und die Oper gehen – nicht aber nur um die Oper, die Charles Garnier entwarf und welche noch heute als eines der beeindruckendsten Wahrzeichen der Französischen Hauptstadt gilt, sondern auch um die Opera Le Pelletier, welche zwischen 1820 und 1873 als Hochburg der Oper in Paris galt.

Im 19ten Jahrhundert ist Paris die Stadt der Dekadenz. Während das Arbeiter- und Bürgertum sich in die Straßen Bellevilles zum Tanzen und Trinken begab, suchte die aristokratische Elite nach weltlicheren Anlässen, um ihren Reichtum in Form von Gewändern, Kleidern und Schmuckstücken zur Schau zu stellen. Ein Highlight der aristokratischen Festlichkeiten waren die Maskenbälle der Oper. Zwar waren Maskenbälle seit dem Hochmittelalter bei der französischen Elite beliebt, so stechen doch die dionysischen Festivitäten des 19ten Jahrhunderts heraus.

Der Carnaval in Paris, Maskenball in der Oper.(LE CARNAVAL À PARIS, BAL MASQUÉ À L’OPÉRA.),Copyright Photo RMN-Grand Palais-F.Raux.

Der Opernball.(LE BAL DE L’OPÉRA.)GUÉRARD Eugène Charles Francois(1821-1866);Copyright RMN-Grand Palais – Bulloz.

Sehen und gesehen werden, der Pariser Adel in Feierstimmung

Le grand bal de l‘Opéra, Der große Ball der Oper, war der Höhepunkt des Pariser Karnevals. In den prunkhaften Sälen der Opernhäuser versammelten sich die crème de la crème der Pariser Gesellschaft. Das Gemälde, Le Bal de l’Opéra, von Eugène Charles François Guérard, stellt eine dieser Feiern dar. Man erkennt dort das kunterbunte und lebhafte Geschehen des Balls, während dem sich der Paris Adel zur Schau stellte. Im Hintergrund verzieren imposante Leuchter die Decke des Saales. Diese wurden nur für den Anlass des Balles installiert. Die Masken und Verkleidungen der Besucher sind dem venezianischen Karneval nachempfunden und so erkennt man hier und dar Figuren der Commedia del Arte. Eine ähnliche Szene wurde auch im Gemälde Le carnaval à Paris, bal masqué à l’Opéra verewigt. Man erkennt dort, dass die Feierlichkeiten in allen Räumlichkeiten der Oper verbreitet sind, von den Logen, bis hin auf die Bühne.

Wie für die meisten solcher Feierlichkeiten, waren die Maskenbälle der Oper ein Anlass für die hohe Pariser Gesellschaft die dekadentesten, teuersten und beeindruckendsten Kleidungsstücke zu tragen. Ein Beispiel dafür finden wir in Joseph-Désiré Courts Gemälde aus dem Jahr 1837 Vénitienne au bal masqué, Venezianerin beim Maskenball. Rosa Seidenschleifen verzieren ihr luxuriöses Kleid und in ihrer rechten Hand hält sie eine venezianische Maske.

KOSTÜMBALL IM TUILERIENPALAST.(BAL COSTUMÉ AU PALAIS DES TUILERIES.)CARPEAUX Jean-Baptiste(1827-1875);Copyright Photo RMN-Grand Palais – G.Blot.

Befreiung durch Anonymität

In der von Moral und Sitte stark strukturierten Pariser Adelsklasse war die Maske ein Mittel zur Anonymisierung. Unerkannt konnte sich die Pariser Elite dem Exzess hingeben, das Sittliche vergessen, und ganz wie das Volk feiern und tanzen. Nicht jedem aber war die Anonymität gegönnt. Bal costumé au Palais des Tuileries von Jean-Baptiste Carpeaux stellt in dynamischen Farben einen solchen Maskenball im Palais des Tuileries, des während der Commune de Paris niedergebrannten Flügels des Louvre Palasts, dar. In diesem pre-impressionistischen Gemälde, mit großen und dynamischen Pinselstrichen, scheint die Menschenmasse sich in ein bewegtes Ensemble zusammenzufügen. Eine Person aber sticht ganz klar heraus: Napoleon III.

Dennoch scheint das Versprechen der Anonymität das Erfolgsrezept des Maskenballs zu sein, welches ihn noch heute weiterleben lässt. Hinter einer Persona versteckt, kann man für einen Abend mal jemand anderes sein. Diese Befreiung von der Allgemeinen Sittlichkeit durch Anonymisierung wirft aber ebenfalls Fragen auf, die wir heute, in der Ära des Internets, nur allzu gut kennen. Anonymität ist eben nicht nur die Befreiung des Eingegrenzten, sondern auch das Refugium des Feigen und des Boshaften.

Bibliographie: Charlotte DENOËL, « Le bal masqué au XIXe siècle », Histoire par l’image [en ligne], consulté le 12 septembre 2021. URL : http://histoire-image.org/fr/etudes/bal-masque-xixe-siecle

Print Friendly, PDF & Email