Bildlegende: Der Empfang des türkischen Botschafters Mehemet Effendi in Paris am 21.03.1721 beim französischen König Ludwig XV. (MARTIN Pierre-Denis, dit le Jeune(1633-1742); Copyright RMN-Grand Palais/Agence Bulloz.)

(TEIL 1) RECHERCHIERT OSKAR HEINKE. Die Persischen Briefe – Der Okzident aus der Sicht des nicht so ganz orientalischen Orients.

 – Der Orient, Phantasma der Künstler

Der Orientalismus ist eine der kennzeichnenden ästhetischen Strömungen des XIXten Jahrhunderts. Die Ägyptische Expedition Napoleon Bonapartes (1798 – 1801) entflammt eine künstlerische Leidenschaft für die Kultur der Morgenländer und wurde sowohl in der Literatur – von Flaubert über Nerval, Lamartine und Chateaubriand bis zu Victor Hugo – als auch in der bildenden Kunst – von Ingres über Eugène Delacroix, Théodore Chassériau, und Jean-Léon Gérôme bis zu Auguste Renoir – verewigt. In deutschsprachigem Raum ist der Einfluss des Orientalismus zwar weniger prägend als in Frankreich und Groß Britannien dennoch spürbar. Ein Beispiel ist Goethes West-östlicher Diwan, die umfangreichste Gedichtsammlung des Frankfurter Dichters.

Doch schon im XVIIten Jahrhundert faszinieren sich die Künste des Okzidents für die damals mystische, geheimnisvolle und exotische Welt des Orients. Zu der Zeit setzte man den Orient geographisch mit dem Hoheitsgebiet des Osmanischen Reichs gleich. Dabei stellten die Künste keineswegs ein realitätsnahes Bild des Orients dar. Vielmehr schufen die Künstler eine von Träumereien, Fantasien und Vorurteilen getriebene Darstellung eines fiktiven Orients. In der Musik zählt Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ zu den einflussreichsten Werken, welche sich die orientalische Thematik zu eigen machen.

– Kritik an der Krone, versteckt hinter fiktiver Naivität

Besonders prägend aber für den frühen Orientalismus des XVIIIten Jahrhunderts sind die Persischen Briefe von Charles-Louis de Secondat, Baron de Montesquieu. Der Roman trägt die fiktive Briefkorrespondenz zwischen zwei Persischen Reisenden, Usbek und Rica, und ihren in Persien gebliebenen Freunden zusammen.

Den Roman veröffentlicht Montesquieu 1721 in Amsterdam. Aus Angst, seiner kritischen Haltung gegenüber der Französischen Gesellschaft wegen, zensiert zu werden, behauptet er den Schriftsteller des Werkes nicht zu kennen und präsentiert sich nur als dessen Verleger.

Tatsächlich benutzt Montesquieu die scheinbare Naivität seiner Protagonisten um die Pariser Gesellschaft sowie den König zu mokieren. Der Spott ist aber kaum zu übersehen:

Übrigens ist dieser König ein großer Zauberer; seine Herrschaft erstreckt sich selbst auf den Geist seiner Unterthanen; er macht sie denken wie er will. Hat er nur eine Million Thaler in seinem Schatze und bedarf ihrer zwei, so braucht er ihnen nur einzureden, daß ein Thaler zwei gilt, und sie glauben es. Hat er einen kostspieligen Krieg, zu führen, und es fehlt ihm an Gelde, so braucht er ihnen nur in den Kopf zu setzen, ein Stück Papier sei Geld“.

In diesem Auszug aus dem 24ten Persischen Brief spielt Montesquieu auf das Law System an, welches Frankreich zu der damaligen Zeit anwendete. Nach dem schottischen Ökonom John Law benannt, handelt es sich dabei um die Einführung einer Papierwährung als Ausweg aus den immensen Staatsschulden Frankreichs. Die Kritik an dieser neuen Form von Geld kommt direkt aus dem Munde Montesquieus, denn in Persien gab es historisch schon seit dem XIIIten Jahrhundert Papiergeld.

(NOTIZ DER VERLEGERIN)Montesquieu, Charles-Louis de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu (1689-1755). Französischer Schriftsteller und Philosoph. Er begeistert sich zuerst für die Wissenschaft und schreibt verschiedene Essays. 1721 veröffentlicht er die Persischen Briefe(Les Lettres persanes), die eine Satire der französischen Gesellschaft sind. 1728 wurde er in die Académie Francaise gewählt. Im gleichen Jahr unternimmt er verschiedene Reisen in Europa, die ihm erlauben, das politische System in Frankreich mit den Nachbarländern zu vergleichen. Daraufhin schrieb er und veröffentlichte anonym 1748 sein Hauptwerk L’Esprit des lois. Dieses wurde stark kritisiert; aber beeinflusste intensiv seine Epoche; und in den Anfangsjahren der Französischen Revolution(1789), die Autoren der Französischen Verfassung 1791. Auch war er beteiligt an der redaktionellen Arbeit der l’Encyclopédie.

BILDBIBLIOGRAPHIE: Stéphane  BLOND, « Sortie de l’ambassadeur de la Sublime Porte (21 mars 1721) », Histoire par l’image[en ligne], consulté le 10 avril 2021. URL : http://histoire-image.org/fr/etudes/sortie-ambassadeur-sublime-porte-21-mars-1721

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Teil 2  – Die Pariser im Visier

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