Coin de Table.(An der Tischecke.) FANTIN-LATOUR Henri(1836-1904); Copyright: Photo RMN-Grand Palais – H.Lewandowski. (2. von links: Der Dichter Arthur Rimbaud.)

Frankreich, JUNI 1871 – GEDICHT VON ARTHUR RIMBAUD

Arthur Rimbaud wurde 1854 in Charleville(Ardennen) geboren. Sein Werk entstand in nur vier Jugendjahren. Mit fünfzehn begann er zu schreiben, bald darauf floh er aus seiner Provinzheimat nach Paris, wo er mit Paul Verlaine zusammenlebte – bis dieser ihn bei einem Streit durch einen Pistolenschuß verletzte und dafür zwei Jahre ins Gefängnis musste. 1874 wandte sich Rimbaud von der Literatur ab und widmete sich ausschließlich dem « Kapitalerwerb », u.a. als Waffenhändler in Afrika. Ein Knietumor zwang ihn zur Rückkehr nach Frankreich, wo er 1891 starb. (ENTNOMMEN AUS: Arthur Rimbaud Sämtliche Dichtungen. Zweisprachige Ausgabe. dtv-Deutscher Taschenbuch Verlag.)

« Arthur Rimbaud ist noch heute der größte und bekannteste Dichter Frankreichs. Es ist sehr schwer seine Gedichte in eine andere Sprache zu übersetzen. Eine Übersetzung kann nur eine Annäherung sein, dessen was seine Gefühle in seinen Gedichten ausdrücken. »(Petra Raguz).


Die Schwestern der Barmherzigkeit
(Aus dem Französischen übersetzt von Thomas Eichhorn)
Der Jüngling, augenfunkelnd, in der Glieder Glätte,
Mit braunem Leib von zwanzig Jahren, der es wert,
nur nackt zu gehn; - im Kupferreif die Stirne, hätte
In Persien ihn ein unbekannter Geist verehrt;-

Voll Ungestüm und Stolz beharrend auf dem Rechte
des Eigensinns, in finstrer Anmut jungfräulich und hold,
Gleich jungen Meeren, Tränen sommerlicher Nächte,
Auf diamantene Betten blinkend hingerollt;

Der Jüngling, der nur Häßlichkeit gefunden
In dieser Welt, schaudert im Herzen auf in Bitterkeit,
Und er begehrt, voll ewiger und tiefer Wunden,
Noch einzig nach der Schwester der Barmherzigkeit.

Doch, Frau, du Haufen Eingeweide, süßer Jammer,
Du bist die Schwester der Barmherzigkeit nicht, nein
Nicht schwarzer Blick, nicht Bauch, der dunklen Schatten Kammer,

Nicht strahlend schöner Busen, nicht Finger schmal und fein.
All unsere Umarmungen sind nichts als Fragen,
Du unerweckte Blinde mit großem Blick:
Wir müssen dich, o Brüsteträgerin, ja tragen;
Wir wiegen dich, bezauberndes und schweres Glück.

Die Roheit, die zumal auf dich schlug nieder,
Und dein Betäubtsein, deine Ohnmacht, deinen Haß,
Du gibst all dies, o Nacht, und ohne Bosheit wieder,
Wie Blut, das jeden Monat strömt im Übermaß.

-Wenn dann die Frau ihn schreckt, getragen eine Zeit,
so kommen, Liebe, Ruf des Lebens und der Tat Gesang,
Die Grüne Muse und die glühende Gerechtigkeit,
Ihn zu zerreißen in erhabnem, stetem Drang.

Ach! verlassen von zwei Schwestern ohne ein Erbarmen,
Nach Herrlichkeiten und nach Rasten dürstend nur,
Klagt zart er nach der Wissenschaft Ernährerarmen
Und trägt die blut'ge Stirn zur blühenden Natur.

Doch von der schwarzen Alchimie und heil'gem Wissen
Hält sein verwundeter und düsterer Stolz ihn ab;
Er fühlt in grause Einsamkeiten sich gerissen.
- Dann, und immer schön und ohne Scheu vorm Grab.

Mög er an letzte hehre Dinge glauben, Träume
Und Wanderungen durch der Wahrheit Nächte weit,
Und dich in Herz und kranke Glieder rufen, o geheime
Göttin des Todes, Schwester der Barmherzigkeit!
Juni 1871
Les Soeurs de Charité - Originaltext von Arthur Rimbaud
Le jeune homme dont l'oeil est brillant, la peau brune,
le beau corps de vingt ans qui devrait aller nu,
Et qu'eût, le front cerclé de cuivre, sous la lune
Adoré, dans la Perse, un Génie inconnu,

Impétueux avec des douceurs virginales
Et noires, fier de ses premiers entêtements,
Pareil aux jeunes mers, pleurs de nuits estivales
Qui se retournent sur des lits de diaments;

Le jeune homme, devant les laideurs de ce monde
Tressaille dans son coeur largement irrité,
Et plein de la bessure éternelle et profonde,
Se prend à désirer sa soeur de charité.

Mais, ô Femme, monceau d'entrailles, pitié douce,
Tu n'es jamais la soeur de charité, jamais,
regard noir, ni ventre où dort une ombre rousse,

Ni doigts légers, ni seins splendidement formés.

Aveugle irréveillée aux immenses prunelles,
Tout notre embrassement n'est qu'une question:
C'est toi qui pends à nous, porteuse de mamelles,
Nous te bercons, charmante et grave Passion.

Tes haines, tes torpeurs fixes, tes défaillances,
Et les brutalités souffertes autrefois,
Tu nous rends tout, ô Nuit pourtant sans malveillances,
Comme un excès de sang épanché tous les mois.

- Quand la femme, portée un instant, l'épouvante,
Amour, appel de vie et chanson d'action,
Viennent la Muse verte et la Justice ardente
Le déchirer de leur auguste obsession.

Ah! sans cesse altéré des splendeurs et des calmes,
Délaissé des deux Soeurs implacables, geignant
Avec tendresse après la science aux bras almes,
Il porte à la natur en fleur son front saignant.

Mais la noire alchimie et les saintes études
Répugnent au blessé, sombre savant d'orgueil;
Il sent marcher sur lui d'atroces solitudes.
Alors, et toujours beau, sans dégoût du cercueil,

Qu'il croie aux vastes fins, Rêves ou Promenades
Immenses, à travers les nuits de Vérité,
Et t'appelle en son âme et ses membres malades,
Ô Mort mystérieuse, ô soeur de charité.
Juin 1871

 

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