Frankreich 1731. In Anlehnung an Die Liebesgeschichte des jungen Des Grieux und Manon Lescaut. Französischer Originaltext von L‘Abbé Prevost, L’histoire du chevalier des Grieux et Manon Lescaut, 1731.

Gefühle erleben. Die Geschichte aus dem 18. Jahrhundert erzählt von der Tiefe der Liebe. Betroffen ist der junge Des Grieux, ein Sohn aus bürgerlichem Hause; der in seiner Ehrlichkeit seinen Gefühlen zur Auserwählten nachgeht. Das entsprach damals nicht dem Modus eines erfolgreichen jungen Mannes, den das Bürgertum akzeptiert. Die Kunst bestand darin, seine Gefühle zu verbergen, bis zur Unkenntlichkeit; gar für die Preisgabe streng bestraft zu werden; sogar mit dem Tod. Gefühle zu zeigen hatte etwas von einer Freigiebigkeit(Libertinage), die nicht geduldet wurde. Es sei denn, die klare Entscheidung der Verbindung in einer Ehe folgte. Freizügigkeiten waren strengstens verboten. So droht, mit Vorhaltungen, auf das Schärfste, der Vater seinem Sohn, unter Bezugnahme auf die große Enttäuschung. Die Situation ist nicht mehr rückgängig zu machen.

Des Grieux, ein leidenschaftlicher Liebhaber. Pas de Deux. Die schöne Manon(Aurélie Dupont)und Des Grieux(Roberto Bollé). Photo Julien Benhamou ONP. In der Pariser Oper am 18.05.2015.

Illusion. Gegenüber dem angeblichen Verschulden von Nichtehre, lehnt sich Des Grieux auf. Er sieht sich nicht als schuldig. Auch nicht als Opfer. Sondern als den, der seinen Gefühlen folgt; der menschlichsten Herausforderung; und damit gegen ein Verbot verstößt. Kaum ist diese Grausamkeit auszusprechen, die es verbietet Mensch zu sein. Ist es doch des Menschen höchstes Gut seine Gefühle zu erleben. Das hat ihn veranlasst, nicht dem Vorbild des Vaters zu folgen. Nicht den Weg der Lüge zu gehen, sondern den Weg der inneren Wahrheit. Aber die Fatalität zwingt ihn mehrfach zur Umkehrung. Er kehrt nicht um. Läuft in das Unbewusste, Ungewisse, mit ganzer Überzeugung, dass es richtig ist. Aber es ist nicht richtig, denn Harmonie ist nicht auf Wahrheit aufgebaut sondern auf Unwahrheit. Die Harmonie existiert nicht. Sie muss erkämpft werden. Erst Leidenschaft schafft Leiden. Auf dem Pfad der Wahrheit, kommen viele Stationen, die zum Rückzug einladen; ohne Rückzug keinen Ausweg. Nur den steilen Fall. Kein Gefühl, so groß es auch sei, kann angemessen erlebt werden, weil es eine Annäherung ist. Und nur eine Annäherung bleibt. Deshalb ist es besser, großartige Gefühle, wie in einer Schachtel erleben zu dürfen. In Konvention, unfrei, die Schachtel von Zeit zu Zeit zu öffnen, zu schauen, was sich wirklich darin befindet. Mit ein bisschen Glück ist feststellbar: es ist eine Illusion.

Manons schöne Welt. Ballettensemble Opéra national de Paris. Photo Julien Benhamou ONP. In der Pariser Oper am 18.05.2015.

Liebe. Wir erfahren viel über die misslungene Bürgerlichkeit Des Grieux‘; die Tatsache aber, Wichtigkeit seiner Gefühlswelt steht offen. Der bedeutendere Teil der Erzählung ist seine Tiefe Liebe zu Manon Lescaut. Es ist die Liebe, die ihn leidenschaftlich an Manon bindet. Manon versucht sich mehrmals der zu entziehen, da die gesellschaftlichen Bedingungen für sie nicht stimmig sind. Es ist die Armut, die dem Erleben der Liebe entgegensteht. Der Komfort, Wohlstand, die Freuden des Alltags sind für die jungfräuliche Schönheit Manons unverzichtbar. Gestalten sich als Realität gegenüber der Liebe, die eine Fiktion bleibt. Die Höhen und Tiefen der Beziehung lassen bewusst werden, wie schwer es ist die zwei Welten zu erleben; zu trennen; wieder zu vereinen; und wo der Unterschied zwischen Realität und Liebe ist.

Gefühle müssen gelebt werden. Pas de Deux. Manon(Aurélie Dupont) und Des Grieux(Roberto Bollé). Photo Julien Benhamou ONP. In der Pariser Oper am 18.05.2015.

Nähe. Das Erleben gewaltiger Gefühle-Distanz-u.-Nähe realisiert insbesondere die Ballettchoreographie Der Geschichte Manon von Kenneth Macmillan’s; eine Ballettaufführung in der Pariser Oper am 18.05.2015. Im Pas de Deux getanzt von der sich verabschiedenden Primaballerina Aurélie Dupont(Manon) und Roberto Bollé(Des Grieux); nach der Musik von Jules Massenet.

Die Choreographie visualisiert alles unrealistische, fiktive der Liebe, nicht erlebbare in Wirklichkeit. Ergänzt hochmütig und arrogant, beides verbinden zu wollen. Bis zur totalen Erschöpfung und  Erkenntnis, dass Wohlstand oder Liebe eine Willensentscheidung ist. Selten vereint. Durch die Eleganz und den warmen braunrötlichen Farbton der Kostüme, gleich eines sommerlichen Sonnenuntergangs, werden Liebesgefühle, durch Bewegung und Tanz erlebt. Die Distanz zwischen Realität und Fiktion ist aufgelöst.  Recherchiert Petra Raguz.

 

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