Von der Straße ins Freudenhaus – Prostitution im XIXten Jahrhundert
Von den anonymen Freudenmädchen der Arkaden des Palais Royale bis hin zu der, im Werk die Kameliendame, verewigten Starkurtisane Marie Duplessis, haben wir uns mit der Prostitutionsgeschichte im Paris des XIXten Jahrhunderts befasst. Während die romantischen Schriftsteller sich in ihren Romanen venusartige Frauenbilder erträumten, sah ihr Alltag, ebenso wie der ihrer Zeitgenossen, doch anders aus. Denn neben dem gutbürgerlichen Dasein der Pariser Sozietät, galt ein Besuch bei einer Gunstgewerblerin zur Norm und brachte, zum Großen Frust der predigenden Kleriker, kaum gesellschaftliche Verachtung. So galten zu dieser Zeit bestimmte Kurtisanen, wie la Marquise de la Païva, zu den einflussreichsten Frauen in Paris. Irgendwie passte die Prostitution gut in die Vorstellungen von Sittlichkeit der zeitgenössischen patriarchalen Gesellschaft. Verstecken mussten sich die Freudenmädchen und deren Kunden kaum und so gab es in Paris Straßen, in denen ganz offen den Lüsten des Vorbildbürgers nachgegangen wurde. Aber erst nachdem dieser seinen Obolus entrichtet hatte.
Lüsten in vollkommener Anonymität
Heute aber verlassen wir die Straßen, die Cafés, die Theater der französischen Hauptstadt und verschaffen uns, mit einer Zeichnung des französischen Künstlers Guy Constantin einen Einblick in ein Freudenhaus, der Ort also, in dem der diskrete Pariser, nach der Arbeit seinem Geschäft nachging. Tatsächlich vervielfachen sich die Freudenhäuser in Paris zwischen 1830 und 1870. Die Tintenzeichnung, Au Salon, Szene de Maison Close, von Guy Constantin verkörpert die Atmosphäre dieser Tempel der Lust. Im vorliegenden Werk handelt es sich um eine gehobene Klientele, denn an der Kleidung der Männer erkennt man ihre bürgerliche Herkunft. Die Frauen hingegen entsprechen der damaligen Verkörperung einer Prostituierten: ein tiefliegender Ausschnitt, Kleider, die gehoben werden, um ihre Beine ans Licht zu bringen, sowie provozierende Körperhaltungen, wie wir bei dem Freudenmädchen rechts im Bild erkennen können. Im Hintergrund links führt eines der Mädchen einen Kunden in ein naheliegendes Zimmer. Was dort wohl geschehen mag überlässt der Künstler der Vorstellungskraft des Betrachters. Diese fast realistische Darstellung der Szene, ohne künstliche Verschönerung, galt zu dieser Zeit als schockierend.
Das Ende der „Trauerhäuser“
Zum Ende des XIXten Jahrhunderts wurde in Paris, die Kritik an Freudenhäusern groß. Tatsächlich waren die Lebensbedingungen der Prostituierten sehr beschwerlich. Der Lohn war gering und die Abgaben an die Hausverwalterin hoch. Verschuldet, und ohne Anlaufstelle, waren die Frauen oft mehr Gefangene als Angestellte. Ab den 1890er Jahren wurde die Kritik an den Freudenhäusern immer vehementer, welches zur Schließung vieler dieser führte. Nur die bekanntesten und luxuriösesten Adressen überlebten und hatten bis in die 1920er Jahre weiterhin einen großen Erfolg. Doch die Hochzeit der Prostitution in Paris ist längst vorbei. Abgesehen von der pompösen Villa der Marquise de la Païva auf den Champs Elysées, findet man in Paris kaum noch eine Spur der Freudenhäuser, die einst beinahe in jeder Straße zu finden waren.(recherchiert Oscar Heinke)
Originaltext in französischer Sprache: Catherine AUTHIER, « Les maisons closes », Histoire par l’image [en ligne], consulté le 23 mai 2021. URL : http://histoire-image.org/fr/etudes/maisons-closes
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