Bildlegende: DAS TÜRSCHLOSS (LE VERROU); FRAGONARD Jean-Honoré (1732 – 1806); © RMN – Grand Palais (musée du Louvre) / Stéphane Maréchalle.

DIE KURTISANE

Prostitution im 19ten Jahrhundert – eine Geschichte, welche der Mann erzählte

RECHERCHIERT OSCAR HEINKE.Das Thema der Prostitution wurde im XIXten Jahrhundert zum Leitmotiv der französischen Literatur. In der romantischen Strömung am Anbeginn des Jahrhunderts setzt sich kein anderer als Victor Hugo für die Freudendamen ein und verkörpert im Werk Les Miserables in der Figur der Fantine das Symbol einer starken, beinahe heroischen Mutter, die, von der Gesellschaft verstoßen, sich zur Prostitution wenden muss. Für Hugo ist die Prostitution der Sklaverei gleichzusetzten.

Auf die Romantik folgt schon bald der literarische Naturalismus, der sich als Spiegelbild der Wirklichkeit besonders für die unterprivilegierten Gesellschaftsschichten, die Bauern und die Prostituierten, interessiert. Balzac, Flaubert, Dumas Sohn, die Brüder Goncourt, Zola, Huysmans, Léon Bloy, Octave Mirbeau, Jean Lorrain und Maupassant: die großen Namen der naturalistischen Literatur versuchen sich an der Figur der Prostituierten und erzählen im erstrebten Realismus ihre Geschichte. Dabei kehrt sich das bei Hugo eingeschriebene Bildnis der Freudenmädchen um. Zum Ende des Jahrhunderts wird ihnen mehr und mehr das Image einer kalkulierenden femme-fatale zugeschrieben. Dargestellt werden sie wie eine schwarze Venus, die ihren Körper zur Waffe macht, dem gutbürgerlichen Manne den Kopf verdreht und ihn an den Abgrund führen. Mit der Verbreitung der Syphilis, wird der Prostituierten eine neue Rolle zugeschrieben, vom Freudenmädchen zur apokalyptischen Vorreiterin des Todes.

Die Schwarze Venus

Ein literarischer und künstlerischer Topos, welcher sich zu dieser Zeit entwickelt, ist der einer fatalen Beziehung zwischen einem Freudenmädchen und dem gutbürgerlichen Manne, dem diese Liaison zum Verhängnis wird. Tatsächlich vervielfachen sich die Erzählungen und Darstellung des männlichen Suizids. In dieser Projizierung ist die Kurtisane eine manipulierende, venale und bösartige Gestalt, die den Mann in einer Art dionysischen Symphonie in den Ruin und letztendlich in den Tod führt. Dass diese Beziehungen ihren Ursprung meist im patriarchalen Dominationsbedürfnis des Mannes des 19ten Jahrhunderts finden, scheinen unsere französischen Lieblingsschriftsteller kaum zu erkennen.

Die Literatur verarbeitet hier, wie allzu oft eine soziale und politische Realität. So setzte sich die Dritte Republik Frankreichs, um an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, mit starken moralischen Geboten durch und verwarf somit jegliche Nuance im Bezug auf die Prostitution. Der Gutbürgerliche war also im Recht, und ohne Zweifel der bösartigen Femme Fatal zu Opfer gefallen. Der Fall der Cora Pearl bekam in den 1870er Jahren besondere Aufmerksamkeit in den Medien. Sie wurde beschuldigt dem jungen Alexandre Duval dazu verleitet zu haben, seinem Leben ein Ende setzen zu wollen. Cora Pearl wurde umgehend des Landes verwiesen.

Überhaupt stellen die Künstler und Schriftsteller des Endes des 19ten Jahrhunderts Freudenmädchen vielmehr wie boshafte, herzlose und krakeelerische Frauen dar. Das bei Victor Hugo mit Nuance geschriebene Portrait eines Freudenmädchens, welches sich gesellschaftlicher Umstände wegen der Prostitution zuwendet, verwandelt sich im Laufe des Jahrhunderts zu einer Symbolisierung des Schlechten, verkörpert im Bildnis der Frau. Ein weiteres Beispiel, dass das Vergehen der Zeit nicht unbedingt Fortschritt mit sich bringt.

Französische Originaltexte: 

*Catherine AUTHIER, « Rolla ou le suicide pour une courtisane », Histoire par l’image [en ligne], consulté le 08 août 2021. URL : http://histoire-image.org/fr/etudes/rolla-suicide-courtisane

*Catherine AUTHIER, « La courtisane, un monstre ? », Histoire par l’image [en ligne], consulté le 08 août 2021. URL : http://histoire-image.org/fr/etudes/courtisane-monstre

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