POESIE Es gibt ein Theaterstück, dass einzigartig über die Kirschblüte berichtet. Der Kirschgarten von Anton Tschechow.  Bekannter russischer Theaterschriftsteller, wurde er am 17.01.1860 in Taganrog am Asowschen Meer geboren und verstarb am 02.07.1904 in Badenweiler, im Schwarzwald. Er hatte die Gabe in einfachen Worten und kurzen Sätzen zu schreiben. Dieses über schwierige Prozesse, die Menschen betreffend; über ihre Gefühle, Erlebnisse, Arbeit, Liebe, Ehre, Missetaten; über ihre Sehnsüchte und seelischen Abgründe. Seine Stücke nannte er selbst Komödien; es sind aber « komödische Situationen ». Es ist Satire. Seine bekanntesten Theaterstücke sind Iwanow (1887), Die Möwe (1896), Onkel Wanja (1897), Drei Schwestern (1900), Der Kirschgarten (1903).

Kirschblüte

Photographie Marco Spalluto

Betörend ist die Kirschblüte. Das ist es auch, was unverständlich ist, ihre Schönheit. Plötzlich ist sie da, über Nacht. Duftende weiße Blüten, rote Knospen. Eine verblüffende Schönheit nach dem Winter und Tagen langer Enthaltsamkeit. Just, den eisigen Atem noch auf der Knospe, entfaltet sich mit den Sonnenstrahlen das Weiß. Unbefleckt. Ein Geheimnis. So nehmen wir es wahr. Nur wenige Wochen steht die Kirschblüte, dann ist der Zauber rum, die Blüte am Abblühen. Ihre Schönheit ist angsterregend, denn ihre Lebensdauer kurz. Die Blüte ist vergänglich. Die Blütenpracht will unseren Respekt, unsere Gefühle, unsere Begeisterung beim Hinsehen. Sie erzählt Geschichten, die in uns leben.

Der Bruder der Gutsbesitzerin: Der Garten ist ganz weiß. Erinnerst du dich...hier diese lange Allee geht immer geradeaus...und in mondhellen Nächten glänzt sie. Weißt du noch? (A.Tschechow.Der Kirschgarten.Erster Akt.)

Photographie Marco Spalluto

Von der Vergänglichkeit des Lebens. Einer zart beseiteten Tatsache, die so wahr ist wie die Kirschblüte. Ein kurzes schönes Spiel mit dem Ergebnis des Verlusts. Eine ständige Trennung von Liebgewonnenem der gleichen Gesinnung zur Schönheit. Diese jedoch nicht von Dauer ist.

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Photographie Marco Spalluto

Anton Tschechow spricht vom Kirschgarten und den Gefühlen seiner Besitzer, die nur ungern sich von ihm trennen. Denn Verlust tut weh. Doch steht der Verkauf des Grundbesitzes unmittelbar bevor. Weicht den Zielen der Tourismusansiedelung: Sommerfrischler aus der Stadt sollen hier ihr Glück finden.

Die Gutsbesitzerin: Er ist ganz weiß, ganz weiß! Oh, mein Garten! Nach dem dunklen, regennassen Herbst und kalten Winter bist du wieder jung und voll Glück, die Engel im Himmel haben dich nicht verlassen...Könnte mir doch jemand den schweren Stein von Brust und Schultern nehmen, könnte ich doch meine Vergangenheit vergessen!(Anton Tschechow.Der Kirschgarten.Erster Akt.)

Photographie Marco Spalluto

Letzte gemeinsame Stunden im Kirscharten reflektieren die Gefühle und Vergangenheit der Anwesenden. Dienen der Erinnerung.

Student: Wir haben gestern lang geredet, sind aber zu keinem Ergebnis gekommen. Der stolze Mensch, so wie Sie ihn auffassen, hat etwas Mystisches an sich. Vielleicht haben Sie auf Ihre Weise recht, aber wenn man nüchtern überlegt, ohne Phantastereien, wie kann dann noch von Stolz die Rede sein, was hat er denn überhaupt für einen Sinn, wenn man sieht, dass die Menschen physiologisch alles andere als hervorragend  beschaffen sind, dass sie in der überwiegenden Mehrzahl roh, unverständig und tief unglücklich sind. Man sollte Schluß machen mit der Selbstbeweihräucherung. Man sollte nur arbeiten. (Der Kirschgarten;2.Akt)

Die Gutsbesitzerin: Oh, mein lieber, mein zärtlich geliebter herrlicher Garten...! Mein Leben, meine Jugend, mein Glück...!(Anton Tschechow.Der Kirschgarten.Vierter Akt.)

Photographie Marco Spalluto

So ist des Menschens Streben nach Glück gleichwohl Harmonie und Schönheit. Doch ist der Pfad nicht immer sonnig. Des öfteren überschattet und undurchsichtig. Woran mags liegen?

Bruder der Gutsbesitzerin: O wunderbare Natur, du strahlst in ewigem Glanze, du Schöne, Gleichgültige, die wir Mutter nennen, du vereinst in dir Sein und Nichtsein, du bringst Leben hervor und zerstörst … (Der Kirschgarten;2.Akt)

Viele Fallen zählt der Pfad der Tugend. Obwohl der ständigen Schönheit so nah, ist sie nicht zu greifen da.

Student: Warja hat Angst, wir könnten uns ineinander verlieben, und weicht tagelang nicht von unserer Seite. Sie in ihrer Engstirnigkeit kann nicht verstehen, dass wir über die Liebe erhaben sind. Alles Kleinliche und Trügerische zu vermeiden, das uns hindern kann, frei und glücklich zu sein, das ist Sinn und Zweck unseres Lebens. Vorwärts! Wir gehen unaufhaltsam dem strahlenden Stern entgegen, der dort in der Ferne leuchtet! Vorwärts! Nicht zurückbleiben, Freunde! (Der Kirschgarten; 2.Akt)

Photographie Marco Spalluto

Die Bewegung ist der Sturheit müde, wenn der träge Körper des Wanderns lästig ist. Die Schönheit erfordert stetig Kreatives, ist zum Greifen nah. Jedoch unerreichbar. Nur ein kleiner Funken, ein Trieb, der verblüht!

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