unsterbliche Poesie

Julien Gaillard – Antoine de Baecque – Andreï Tarkovski – heißen die Textdichter des zweiten Stücks, Tarkovski. Le Corps du poète. (Der Körper des Dichters), der Theatersaison 17/18 im TNS. Die Textvorlagen sind spannend aber nicht einfach. Es kommt nicht nur ein Dichter vor, sondern gleich mehrere. Das ist das Mysteriöse daran. Poesie ist immer mysteriös. Oft unverständlich für „normale Leute“. Was sind „normale Leute“? Keine seltene Frage, die oft auch im Stück gestellt wird. Die Hauptperson, um die es geht, ist der Künstler Andreï Tarkovski(1932-1986), russischer Filmemacher, Autor, Dichter, dessen Leben und Werk reflektiert wird. Poesie ist ein Spiel mit vielen Worten, Tarkovski ist selbst darin ein Müßiggänger. Er hatte ein kurzes schweres Leben; hat es sich aber in Folge nicht erleichtert oder davon befreit. Nur als Märtyrer wird er in der Theaterhommage über sein Lebenswerk nicht dargestellt. Obwohl bereits frühe dunkle Fäden ein dramatisches Leben erahnen lassen, überlässt das Theaterstück bis zum Schluss nichts dem Zufall. Es ist eine Hymne auf einen „normalen“ kreativen Menschen mit unermüdlichem Arbeitswillen. Der Weg des russischen Künstlers, der seine Heimat mit Reue verließ und in Italien(im Exil) wirkte, wird dann in Folge unter die Lupe genommen; sein Lebenswerk bildhaft vergoldet. Zu Recht. Bereits in Russland erfolgreich mit den Filmen L’Enfance d’Ivan(1962) und Andreï Roublev(1966), bekam er Probleme mit den Russen: sein Kreatives Wirken wird abgestoppt, seine Filme verboten. Die Inszenierung geht schnell auf die persönliche Wahrnehmung des Talents des Künstlers ein; stellt diese selbststrahlend und anfechtbar(simulierte Interviews) in den Raum. Die Interviews zeigen den Künstler in bewußt erlebter Kritik und besprechen seine Filme, Solaris(1972), Le Miroir(1974), Stalker(1979), Nostalghia(1983), Le Sacrifice(1986). Verherrlicht werden die Akzeptanz des Künstlers und sein Desinteresse gegenüber Kritik. Das Stück zeigt den geradlinigen Weg eines Helden, der sich nicht desillusionieren lässt, und sein Leben der Kunst opfert. Opfer und Leidensdruck sind gewöhnlich in der Kunst kein Einzelfall. So wie Andreï Tarkovski, litten andere vor ihm und auch nach ihm wird kein Ende davon sein.

Der Regisseur Simon Delétang schafft den Übergang zur unsterblichen Poesie. Das Stück – Tarkovski – lebt durch sein Wirken(1932-1986)(mit sieben erfolgreichen Filmen) und durch die Poesie im Allgemeinen. Es war auch Delétang‘ Wunsch, der ausschließlich mit zeitgenössischen Texten arbeitet, analog zu Tarkovski‘ Leben, die Arbeit des französischen Dichters Julien Gaillard(geb.1978) zu reflektieren. Gaillard erhielt von Delétang den Arbeitsauftrag zur Erstellung des Text‘ für die Inszenierung. Der packende Prolog des Stücks, in russischer Sprache mit französischen Untertiteln, entstammt der Feder des Autors Antoine de Baecque, Historiker und Filmkritiker(2001-06 Leitung der Kulturseiten der französischen Tageszeitung Libération). Diese drei Autoren(drei Teile) sind die szenischen Perspektiven der Deutung Tarkovski‘ Kunstbemühens; sie spiegeln die Mühen vergangener großer Dichter(Dante) und zukünftiger Dichter. Julien Gaillard ist ein erfolgreiches Beispiel von vielen lebenden Dichtern. Auf der Bühne wird mit Kreide an die Wand geschrieben 1+1=1; was heißt, ein Tropfen und ein Tropfen ergeben wieder einen Tropfen. 1 Dichter und 1 Dichter ergibt 1 Dichter. Kunst und Poesie leben unaufhörlich weiter; sie ernähren und ergänzen sich.

Das Stück ist eine Liebeshymne auf die Kunst, Poesie und die Unsterblichkeit. Diesen werden, in zwei Theaterstunden, Würde, Respekt, Grazie und Stille gewidmet.

Tarkovski, le corps du poète. Création. Originaltext Julien Gaillard. Textauszüge Antoine de Baecque und Andreï Tarkovski. Regie und Szenographie Simon Delétang.

Schauspieler – Hélène Alexandridis, Thierry Gibault, Stanislas Nordey, Pauline Panassenko, Jean-Yves Ruf.

19. bis 29.09.2017,  Strasbourg, TNS. Jeden Tag um 20Uhr. Telephon 0033 388 24 88 24.

 

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