Neue Horizonte der Romantischen Kunst
RECHERCHIERT OSCAR HEINKE. Zu Beginn des 19ten Jahrhunderts erobert die Romantik die Künste, zuerst in Deutschland dank der Schriften der Schlegel Brüder und dann ganz Europa. Als Gegenpol zum Klassizismus der Aufklärung wenden sich die Künstler der Romantik von den klassischen Mythologien ab – sprich die griechische und römische – und lassen neue Motive in ihre Werke Einfließen. In Deutschland faszinieren sich Wagner und die Brüder Grimm für eine neue, beziehungsweise altvergessene, National-Mythologie. Doch viel mehr noch interessieren sich die Künstler der Romantik für Themen die zuvor als unedel galten. So nimmt sich der romantische Realismus dem Alltag der Menschen an. Für viele aber war es auch die Möglichkeit nicht klassisches literarisches Material darstellen zu können. Die künstlerische Vorstellungskraft wird dabei als einziger Ausweg aus dem Weltschmerz gesehen. Ohne hier in eine philosophische Abhandlung geraten zu wollen, ist der Weltschmerz ein Empfinden, welches man hat, wenn man erkennt, dass die physische Welt die Bedürfnisse des Geistes nicht mehr befriedigen kann.
Delacroix: Versöhnung durch Dante
Eugène Delacroix ist einer der einflussreichsten französischen Maler der französischen Romantik. Sein Gemälde Die Freiheit führt das Volk, welches in Ehren der Julirevolution des Jahres 1830 entstand, ist ein wahrhaftiges Symbol der französischen Revolutionsbewegungen geworden. Heute aber wollen wir uns nicht mit dem geschichtsinspirierten Korpus Delacroixs beschäftigen, sondern mit einem Gemälde, dessen Inspiration er aus der Literatur zog. Es handelt sich dabei um Die Dantebarke, aus der Göttlichen Komödie, welche der italienische Schriftsteller im Jahre 1822 vollendet.
Einer unerwiderten Liebe wegen in die Trauer versetzt, findet Delacroix Trost in der Göttlichen Komödie Dantes. Das Werk wird noch heute als eines der Meisterwerke der Weltliteratur gepriesen. Um den riesigen posthumen Einfluss des Werkes zu veranschaulichen, reicht ein Blick auf die heutige italienische Schriftsprache, welche eben die Göttliche Komödie begründet hat. So entzückt sich im 19ten Jahrhundert Delacroix an der Geschichte des Dichters Dante, welcher seine Reise durch die Tiefen der drei jenseitigen Welten schildert: Die Hölle, der Läuterungsberg und das Paradies.
Kunst als Fluchtweg vor dem Weltschmerz
Die Dantebarke stellt eine Szene aus der Göttlichen Komödie dar, in der Dante mit Virgil, Arm in Arm, auf einer Barke den Styx überquert. Um sie herum versuchen die Verdammten aus dem Wasser auf die Barke zu steigen und diese aufzuhalten. Verhüllt mit einem trostlosen Gesicht, stehen den krüppeligen Verdammten, Dante und Virgil gegenüber.
Vielmehr als eine simple Darstellung einer literarischen Passage, scheint dieses Werk den Weltschmerz der romantischen Künstler zu verkörpern. Die politischen und sozialen Unruhen des frühen 19ten Jahrhunderts sowie der schnelle technologische Wandel schaffen für Künstler eine neue unerträgliche Umwelt. Die Französische Revolution und der Fall des darauffolgenden Kaiserreichs haben in der französischen Gesellschaft tiefe Wunden hinterlassen. Das Gemälde zeigt uns zwei Dichter auf dem metaphorischen Fluss des Lebens. Ihre Umwelt ist höllisch und sie müssen sich durch das Chaos und die Leiden ihrer Gegenwart durchkämpfen. Für Delacroix kann nur die Kunst den Weg aus einer höllischen Gegenwart führen, so kann auch nur die Kunst Dante und Virgil sicher über den Styx führen.
Originaltext in französischer Sprache: Malika DORBANI-BOUABDELLAH, « « Mal du siècle » et révolution romantique », Histoire par l’image [en ligne], consulté le 28 mars 2021. URL : http://histoire-image.org/fr/etudes/mal-siecle-revolution-romantique
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