Recherchiert von Petra Raguz.

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Audrey und Stan, noch fassungslos über ihre neue Freiheit.

Bemerkenswert am Stück sind die Texte (Monologe), die eigens für die Schauspieler geschrieben worden sind. Sie dürfen auf der Bühne ihre Vornamen behalten. Über das Thema Liebe wird hier sehr realistisch geredet.

Gezeigt im

NATIONALTHEATER STRASSBURG

THÉÂTRE NATIONAL DE STRASBOURG (TNS)

15 – 27 SEPTEMBER 2015

mit

       AUDREY BONNET     und     STANISLAS NORDEY

              PASCAL RAMBERT   Text und Inszenierung 

            THOMAS BOUVET   Assistenz Inszenierung

       DANIEL JEANNETEAU   Bühnenbild

       PASCAL RAMBERT   Beleuchtung

                   JEAN-FRANÇOIS BESNARD   Beleuchtung

Freie Wortwahl

Eine Frau und ein Mann, Audrey und Stan, stehen auf der Bühne. Sie sprechen von Trennung; das Theaterstück Ende der Liebe/Clôture l’amour spricht von Trennung. Das ist theatralisch interessant für den Autor und die Schauspieler. Der Autor Pascal Rambert hatte das seltsame Gefühl beim Schreiben, etwas auszugraben, das er schon einmal gesagt hatte. Worte, die unwillkürlich auftauchen. Clôture de l’amour ist ein Auswuchs seines Stückes John und Mary (1992). Rambert hat eine Vorliebe für solche Szenen. Andere ausgefallene Stücke sind Libido Sciendi(Liebesszenen)(Festival Montpellier Danse 2008). Mit seiner freien Schreibe entfernt er sich von individueller Dominanz, geht in Distanz zu seiner Meisterhaftigkeit. Dabei spielt er mit den Worten: Seine Neigung zum französischen Wort clôture (Beendigung, Schließung) ähnelt einer Zärtlichkeit. Vielleicht einer persönlichen Liebesaffäre zu der Welt der Worte?

In Anlehnung an die Realität

Er füttert seine Arbeit mit Alltäglichkeit. Dies geschieht vom Zuhören; z.B. Straßenszenen. Clôture de l’Amour(Ende der Liebe) ist nicht autobiographisch. Die Dialoge sind geschrieben für zwei Personen, ohne genaueren Bestimmung deren Aktivitäten. Es sind Audrey Bonnet und Stanislas Nordey. Ihre Vornamen sind authentisch. Der Dialog ist eine Auseinandersetzung. Ein Streitgespräch, mit dem Ziel etwas zu beenden. Das begriff starke Wort Kampf soll vermieden werden, obwohl es einer ist. Die benutzten Waffen der Partner sind Worte. Es ist ein Wortduell. Eine Fiktion, das Konstrukt der bekannten Geräuschkulisse: Konflikte.

Die Bestimmung des Orts

Rambert wählte als Bühnenbild einen Probenraum. Für ihn ist das eine Folterkammer. Wieder ein radikales Wort. Im Probenraum ist etwas eingeschlossen, das soll befreit werden. Sein Mitarbeiter Daniel Jeanneteau (Beleuchtung) integriert perfekt diese Idee. Faktisch sind Ramberts Theaterstücke ein Gesamtkunstwerk. Nicht nur einzelne Stücke. Als Direktor des T2G-Théâtre de Gennevilliers/Centre Dramatique National de Creation Contemporain(Theaterzentrum Zeitgenössisches Theater) lädt er Künstler ein; die nicht nur Theatermacher sind, sondern ihre Vorstellungen von A-Z produzieren. Sie erfinden neue Dinge. Hier besteht die Verbindung zu seinen Stücken, die in ihrer Konzeption eine Entwicklung aufweisen, bühnenspezifisch und darstellerisch. Ursprünglich steht der Text im Mittelpunkt. Davon will er sich entfernen. Er nuanciert mit der Anwesenheit der Körper, mit Licht und Klang. Gesprochenes bekommt Bewegung. Eine nicht erwünschte Einheit löst sich auf in eine Unebenheit von Geist und Gedanke. Es gibt keine Uniformität mehr, sondern Flucht und Auflösung. Assoziiert durch Angst; deshalb gewaltig und bedrohlich. Die Bedrohung des Endes.

Eine Choreographie

Das Stück ist auch eine Choreographie. Es ist ein Paradox! Das Konstrukt entfesselt Worte, die sich entfernen, fortbewegen, sich positionieren auf dem, des Anderen, der zuhört. Dadurch entsteht die Lösung. Stop and Go. Halten und Loslassen. Im Normalfall sind es Fragen und Antworten, hier Monologe. Zuerst spricht eine Person zu Ende, dann die andere. Es ist ein Dialog aus zwei Monologblöcken. Kein klassisches Theater, denn nicht gespielt.  Dazu gesellt sich die Mimik. Eine Art Pantomime.

Eine unvollendete Interpunktion

Sie wird vollendet durch die Arbeit der Schauspieler, die auch Co-Autoren sind. Es ist der organische Aspekt der Sprache, der interessiert. Etwas Lebendiges, das sich bildet. Der Autor und Regisseur Rambert sucht nach einer neuen gesprochenen Sprache.

Ein Konzept

Rambert hebt sich von anderen Szenaristen, Regisseuren, Choreographen ab. Seine Inszenierungen entwickeln sich aus dem Rahmen eines Konzepts und hören dann ganz den Schauspieler. Sind fixiert auf den Schauspieler, mit vermeintlich wenig Psychologie in der Betrachtung, die ein frontaler Zweikampf ist. Deshalb auch, setzt er sein Augenmerk auf den Körper.

Emotionen

Es gibt keinen Unterschied zwischen Bühne und Realität. Das Ende der Liebe bewegt nicht nur Audrey und Stan, sondern auch erheblich die Zuschauer.

Ich habe nicht die Emotionen gesucht – dennoch sind sie die unsichtbaren Schatten auf der Bühne, die die Personen in ihren Aussagen füreinander und gegeneinander begleiten“, sagt Pascal Rambert.

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Im Probenraum. Das Ende der Liebe ist bei Pascal Rambert ein Befreiungsakt.

 

KÜNSTLERBIOGRAPHIEN

AUDREY BONNET – Schauspielerin

Sie nahm Unterricht bei Valérie Nègre und Francois Xavier Hoffmann, in der Schule Florent; bei Stuart Seide und Jacques Lassalle auf dem Conservatoire National Supérieure d’Art Dramatique(Paris). Arbeitete mit Jean-Christophe Saïs (Salinger von Bernard-Marie Koltes); mit Jacques Lassalle(La vie de Galilée von Bertolt Brecht); mit Yves Beaunesne(La Princesse Maleine von Maurice Maeterlinck); mit Marie-Louise Bischofberger(Visite von Jon Fosse).

Von 2003-2006 pflegte sie einen Aufenthalt in der Comédie-Française(Paris). Spielte dort unter der Leitung von Gao Xingjian(Quatre quatuors pour un week-end); Marcel Bozonnet (Tartuffe von Molière); Pascal Rambert (Le Debut de l’A.); Eric Génovèse (Le Privilège des chemins von Fernando Pessoa); Brigitte Jacques-Wajeman (Le Cid von Corneille); Andrzej Seweryn (La Nuit des rois von Shakespeare); Christian Schiaretti (Le Grand théâtre du monde und Le Procès en séparation de l’âme et du corps von Calderon de la Barca); Christine Fersen (Une Saison en enfer von Rimbaud); Claude Mathieu (La Divine comédie – l’enfer von Dante); Bakary Sangaré (la poésie de Senghor et Damas); Bob Wilson (La Fontaine…).

STANISLAS NORDEY – Schauspieler, Regisseur, Pädagoge

Er inszeniert Theaterstücke und Opern. Kreiert, spielt, initiiert Vorstellungen seit 1991. In der Hauptsache zeitgenössische Autoren (Gabily, Karge, Lagarce, Mouawad, Crimp, Handke…). Greift gelegentlich auf Pasolini und arbeitet seit einigen Jahren mit dem deutschen Autor Falk Richter. Als Schauspieler arbeitet er unter der Leitung von Christine Letailleur, Anne Théron, Wajdi Mouawad, Pascal Rambert, Anatoli Vassiliev und bisweilen in seinen eigenen Stücken, wie Affabulazione von Pasolini (März 2015).

Zu seinem Lebenslauf gehören die Zusammenarbeit mit den Theatern: Théâtre Nanterre-Amandiers(Leitung Jean-Pierre Vincent); Théâtre(École) National de Bretagne; Théâtre National Colline(Paris); Festival Avignon(2013). Von 1998-2001 leitete er mit Valérie Lang das Théâtre Gérard Philipe(Centre Dramatique National de Saint-Denis). Seit September 2014 ist er Direktor des Théâtre National de Strasbourg(Straßburger Nationaltheater) TNS.

PASCAL RAMBERT – Autor, Regisseur, Produzent, Choreograph

Geboren 1962; ab 2007 ist er Direktor des T2G-Théâtre de Gennevilliers, das er umstrukturiert in ein Centre Dramatique National de Creation Contemporain(Theaterzentrum Zeitgenössisches Theater); ein Ort ausschließlich lebenden Künstlern(artistes vivants) gewidmet; dazu gehören, Theater, Tanz, Oper, Zeitgenössische Kunst, Kino. Seine Kreationen werden in Europa, Nordamerika, Nordafrika, Russland, Asien gezeigt; seine Theatertexte sind verlegt im Verlag Solitaires intempestifs(France); übersetzt und veröffentlicht in zahlreichen Sprachen. Seine choreographischen Stücke, u.a. das jüngste, Memento Mori(2013)(Mitarbeit Yves Godin), präsentiert sich an namenhaften Orten zeitgenössischen Tanzes. Rambert inszenierte Opern in Frankreich und USA; und realisierte erfolgreich, festivalprämierte Kurzfilme(Festivals Pantin, Locarno, Miami).

Nach der Kreation für das Theaterfestival AVIGNON 2011, wurde Clôture de l’Amour(Ende der Liebe), mit Audrey Bonnet und Stanislas Nordey, ein Welterfolg. 2012 erhielt das Stück den Prix (Dithea) de la Meilleure Creation d’une pièce en langue française par le Syndicat de la Critique (Bestes Stück in französischer Sprache) und den Grand Prix de la littérature dramatique du Centre national du Théâtre (Großer Preis Dramatischer Literatur CNT/Paris);  2013 den Autorenpreis/Palamères du Theatre.

Bis September 2015, wurde Clôture de l’Amour bereits mehr als 140 mal gespielt. Es gibt 8 Adaptionen in anderen Sprachen: Russisch, Englisch, Kroatisch, Italienisch, Japanisch, Deutsch, Spanisch, Dänisch. Eine Choreographie, Une (micro)histoire économique du monde, dansée, kreiert 2010 im T2G-Théatre de Gennevilliers, wurde in ähnlicher Weise weltweit erfolgreich präsentiert.

2013 liest Denis Podalydès den Text Avignon à vie während des Festivals AVIGNON 2013.

2014 folgt Repetition geschrieben und inszeniert für die Schauspieler Emmanuelle Béart, Audrey Bonnet, Stanislas Nordey, Denis Podalydès (T2G-Théâtre de Gennevilliers/Festival d’Automne/Paris), mit 60 Bespielungen, im Jahr 2015 auf Tournée in Frankreich. Für Ende 2016 ist die italienische Version für das Teatro Arena del Sole in Bologna geplant.

In Paris 2015, im leergeräumten Théâtre des Bouffes, wurden seine fünf Stücke, Memento Mori, Clôture de l’Amour, Avignon à Vie, De mes propres mains, Libido Sciendi, gespielt.

Weiter zur Aufführung 2016 sind geplant Actrice für das Théâtre d’Art de Moscou und L’enlèvement d’Europe(Die Entführung der Europa) für das Théâtre National(Nationaltheater)Zagreb; und Argument geschrieben für Laurent Poitrenaux u. Marie-Sophie Ferdane, für das CDN Orléans/Loiret/ Centre, La Comédie de Reims und das T2G-Théâtre de Gennevilliers.

weiter www.pascalrambert.com

 

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