Le froid augmente avec la clarté, der Titel des aktuellen Theaterstücks, in der Regie von Claude Duparfait, am Théâtre National Strasbourg(TNS).  

Weisheit schützt vor Kälte nicht,

so in etwa die deutschsprachige Annäherung an den französischsprachigen Titel – oder über die Schwierigkeit Mensch zu sein. Eine nicht leichte Aufgabe, die Menschlichkeit! Ein eleganteres Wort für Menschlichkeit ist Humanismus. Das ist auch die Aufgabe, die sich Claude Duparfait stellt. Er wagt sich an Thomas Bernhard (1931-1989), bedeutenden, österreichischen, deutschsprachigen Theater-Dramaturgen. Bekannt deshalb, denn er war Kritiker, zögerte nicht, u.a. den österreichischen Verwaltungsapparat – Staat und Verwaltung – zu kritisieren. Die Zeit in der er lebte rechtfertigt seine Kritik. Es gibt das Sprichwort  « keiner ist Prophet in seinem eigenen Land »; und eines Tages bekam Thomas Bernhard den deutschen Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen, den Rudolf-Alexander-Schroeder Preis, verliehen. Eingeladen zur Verleihung, hielt er eine außergewöhnliche Rede, die Aufmerksamkeit erregte; insbesondere Claude Duparfait dazu inspiriert hat, die Kernaussage der feierlichen Rede « …le froid augment avec la clarté… », als Titel für seine neue Inszenierung zu wählen. Damit demonstrieren beide, dass die Erlangung von Weisheit, die Abkehr und damit die Entfernung vom Menschsein ist. Desto höher der Fahrstuhl fährt, desto heller und kälter wird es. Zuweilen eiskalt! Das ist bestimmt nicht zu leugnen. Über diese Aussage hat Claude Duparfait lange recherchiert und präsentiert zur Zeit seine Adaptation, frei nach Thomas Bernhard, im Théâtre National Strasbourg(TNS). In einem Theatergespräch mit Schauspielern und Publikum, hebt er insbesondere den Humanismus des Gesamtwerks, Autors und Theaterdramaturgen Thomas Bernhard hervor, an den sich die Adaptation anlehnt. Doch nicht einfach für jeden zu verstehen, geschweige denn einfach zu verdauen, sind die Abhandlungen Thomas Bernhard’; auch nicht mit mehr Garantie bei Claude Duparfait. Derart abstrakt, pragmatisch, besessen in der Wortfindung, fließen auf die Bühne und in den Raum, die Worte und Begriffe der permanenten persönlichen Auseinandersetzung Thomas Bernhard’ mit dem Leben; auszugsweise aus seinen autobiographischen Werken, Die Ursache. Eine Andeutung und Der Keller. Eine Entziehung. Die Adaptation ist in französischer Sprache, ohne Untertitelung. Das ist eine zusätzliche Etage, die der Fahrstuhl bewältigen muss. Die Kenntnis der französischen Sprache ist ein Muss, um dem Geschehen auf der Bühne zu folgen. Ein äußerst subversiver Einwand ist eine längere Abrede über die menschliche und tierische Fortpflanzung. Nicht zuletzt zu verdanken des Talents Annie Mercie’, eine erfahrene brillante Akteurin in subversiven Rollen. Bleibt herauszufinden, ob entronnen den Worten des Meisters Thomas Bernhard’ selbst oder der Adaptation Claude Duparfait’. Aber klar in ihrer Aussage einer mehr instinktiven Fortpflanzung, als einer nur menschlichen-humanistischen! Darüberhinaus mit genügend perversen Anspielungen, was für einen lieben Neugeborenen bis zum aller letzten Atemzug in seinem Leben vorgesehen ist. Fazit: Es bleibt jedem selbst überlassen, der eigenen Verelendung aus dem Weg zu gehen. In der Hoffnung auf eine zukünftige Untertitelung dieses Theaterstücks für deutsche Zuschauer, ist die Arbeit von Claude Duparfait, bekannter und beliebter Schauspieler in Frankreich, seine zweite, gewagte, extrem gelungene Regie.  

Le froid augmente avec la clarté. Création TNS. Frei nach « Die Ursache.Eine Andeutung » und « Der Keller.Eine Entziehung » von Thomas Bernhard. Ein Projekt von Claude Duparfait. Mit Thierry Bosc, Claude Duparfait, Pauline Lorillard, Annie Mercie, Florent Pochet. 25.04.2017-12.05.2017 im Théâtre National Strasbourg(TNS). 

 

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