Die Sängerin Maria Malibran in der Rolle der Desdemona in der Oper Otello v. Rossini(W.Shakespeare). Decaisne Henri (1799-1852); Photo Copyright RMN-Grand Palais-Bulloz.

Frankreich 1761.Die Liebesgeschichte als philosophischer Essay.Von Oscar Heinke.

Hinter dem „romantischen Briefroman“ verstecken sich aber vor allem die philosophischen Theorien Rousseaus über die Gegenüberstellung von „Authentizität“ , sprich des wahren Willen des Menschen, und den rationellen moralischen Vorstellungen, die der Gesellschaft zu Grunde liegen.

Ein Ausschnitt aus einem der Briefe Saint-Preuxs an Julie, zeigt die starke Auseinandersetzung zwischen der Leidenschaft der Liebe und der gesellschaftlichen Ratio der Zeit. Vor allem aber merkt der Leser schnell, dass es sich hier ganz und gar um eine philosophische Argumentation handelt, die kaum überzeugend im Geschehen verhüllt wird.

So beklagt sich Saint-Preux der „absurden Maxime, des unsichtbaren Hindernisses für die gerechten Wünsche des Herzens“. In einer gesellschaftskritischen Tirade stellt sich unser Protagonist als ein „Opfer der Vorurteile“ dar, welches „die Schwerfälligen Ketten der Notwendigkeit an die Schande binden“. Auf gut Deutsch:  gesellschaftliche Moral ist schuld daran, dass des Herzens Wille stets mit der Vernunft zu kämpfen hat. So fühlt sich unser Protagonist hier zerrissen, in einem fürchterlichen Dilemma zwischen der Freude des Liebens und der Frustration diese Liebe nicht leben zu können: „Dich gesehen zu haben, dich aber nicht besitzen zu können; dich zu lieben, doch nur ein Mensch zu sein; geliebt zu werden, aber nicht glücklich sein zu können“.

Französischer Originaltext von Jean-Jacques Rousseau, Julie ou la Nouvelle Héloise, 1761.

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