(tns)-Stefano Massini: Ich glaube an einen einzigen Gott

Auf einem Spaziergang heute auf der Straße, ist es schwierig an einen einzigen Gott zu glauben. Und beim Verlassen seiner inneren Welt, dem ständigen Schock draußen, in der scheinbaren Wirklichkeit, entgegenzuhalten. Das ist die Grundidee des letzten Theaterstücks der Saison 17/18, Ich glaube an einen einzigen Gott (Je crois en un seul dieu) im Théâtre National de Strasbourg(TNS).

Nicht abschließend behandelt ist das Thema des Terrorismus: das Stück endet mit einer „stillen weißen Explosionswolke“ – und die Zuschauer wissen, dass sich eine junge Palästinenserin in die Luft gesprengt hat. Es war nicht zu vermeiden. Die Erzählungen von Rachida Brakni(einzige Schauspielerin) berichten es. Vorgetragen gemäß einer Textvorlage von Stefano Massini(italienischer Autor). Rachida Brakni steht eine Stunde und vierzig Minuten auf der Bühne, im Rahmen der Inszenierung von Arnaud Meunier(französischer Regisseur), und im sich abwechselnden Lichtspiel(von Nicolas Marie). Drei Monologe, drei Frauen, drei Lebenssituationen, ein Ort des Geschehens: Tel Aviv, die Großstadt in Israel; sind hier die Fakten. Rachida Brakni führt drei Lebenswege zu einem Ort: der Explosion.

Keine leichte Aufgabe für die Schauspielerin(Théâtre Comédie Française Paris(1997-2002)). Sie steigert sich spürbar in den Monologen; in der Annäherung dreier Personen, dreier Körper, zu einem Schluss: der Explosion. Das wechselnde Licht hilft der Wahrnehmung, dass eine Figur drei Persönlichkeiten darstellt. Mit dem Wechsel der Personen gleich, steht eine neue Farbe: jeder Folgemonolog steht im neuen Licht. Lichtwechsel bedeutet Personenwechsel. Beim Zuschauen dauert es eine Weile, aber dann passt es im Kopf: die Schauspielerin hat die ehrenvolle Aufgabe, drei weibliche Personenauftritte auf der Bühne zu koordinieren: Eden Golan, eine 50-jährige hebräische Lehrerin; Shirin Akhras, eine 20-jährige arabische Studentin(künftige Märtyrin); Mina Wilkinson, eine 40-jährige amerikanische Soldatin.

Die jeweiligen persönlichen Berichterstattungen sind geprägt von großer Emotionalität über packende Einzelheiten und Erlebnisse am Ort: Tel Aviv. Es wechseln sich ab, diktierter Erfolgszwang(arabische Märtyrin), übertriebene Gelassenheit(amerikanische Soldatin) und ängstliche Normalität(jüdische Lehrerin). Lange Beschreibungen der hebräischen, arabischen und amerikanischen Lebensstrukturen vor Ort finden sich in den einzelnen Monologen. Die hebräische Lehrerin, die einem Attentat entkommt, und ab Datum mit mehr Bewusstsein ihr Leben wahrnimmt-jedoch mit täglicher Überlebensangst. Die junge arabische Studentin, in ihrer Besonnenheit zum Märtyrertum, mit angereicherten Textpassagen ihres Sturm u.-Drang; in dieser Vision des Autors ist es eher die persönliche Mutprobe der Studentin die im Vordergrund steht. Eine bisweilen gelangweilte Amerikanerin: deren Arbeitsalltag der Überwachung dient, zur Einhaltung des Friedens und internationaler Abkommen. Dennoch, die Tat kann nicht vereitelt werden: die Explosion findet statt.

Diese Inszenierung ist einerseits ein friedliches Manifest mit herzzerreißendem Inhalt; und eine weitere Möglichkeit, wie heute im Theater über aktuelle Grausamkeit berichtet wird. Damit, der Aufgabe des Theaters (Emotionalisierung) zu entsprechen, und die Bekanntmachung der neuen Klassiker(Autoren) von morgen zu erfüllen. So beschreibt es in Teilen der französische Regisseur Arnaud Meunier in einer persönlichen Befragung.

Je crois en un seul dieu mit Rachida Brakni.

(TNS)Théâtre National Strasbourg 24 mai – 3 Juni 2018; 0033(0)388248824 – www.tns.fr;

Text Stefano Massini – Übersetzung Olivier Favier, Federica Martucci – Inszenierung Arnaud Meunier – Beleuchtung&Bühnenbild  Nicolas Marie – Musik Patrick De Oliveira

Weitere Mitwirkende:

Elsa Imbert  Künstlerische Begleitung

Parelle Gervasoni Assistenz Regie und Dramaturgie

Loïc Touzé Choreographie

Anne Autran Kostüme

Philippe Lambert Generalregie

Photographie Sonia Barcet

 

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