Portrait: Yannis Kokkos

Von Oscar Heinke.Der gebürtige Athener hat 1963 in Frankreich ein neues Zuhause gefunden, damals in Strasbourg, als er sein Studium an der École Supérieure d’Art Dramatique abgeschlossen hatte. Ab 1969 beginnt für den jungen Bühnenbildner eine prägende Zusammenarbeit mit dem französischen Regisseur Antoine Vitez, die in Form von Stücken in der Comédie-Française, beim Festival d’Avignon, im Piccolo Theater in Milan sowie im Théàtre national de Chaillot seine Früchte trägt. So beginnt für Kokkos eine internationale Karriere, die ihn in zahlreiche Städte der Welt, Wien, Bologna, Geneva, San Francisco, München führt.
Yannis Kokkos ist ein nomadischer Veteran der darstellenden Künste aber nicht, weil er mit seinen Stücken und Inszenierungen um die Welt reist, sondern vielmehr im Bezug auf sein künstlerisches Schaffen. Der gelernte Bühnenbildner beginnt 1987 eine Karriere als Regisseur. Er springt zwischen Theater- und Operninszenierungen, entwirft Kostüme und führt seine Arbeit als Bühnenbildner fort. Kokkos baut Brücken zwischen den Künsten. So wird auch an diesem Abend, in den Dachgeschossen der Comédie-Française, in die Yannis Kokkos gekommen ist, um über seinen Werdegang zu erzählen, sein Talent, „das Unversöhnliche zu versöhnen“, hervorgehoben. So versöhnt Kokkos in seiner Arbeit Griechenland mit Frankreich, die antiken Tragödien mit Racine, die Choreografie mit der Szenographie, die Oper mit dem Theater.

Traumbildner von klein auf

Theater und Oper spielen für Yannis Kokkos seit seiner Kindheit eine große Rolle. „Damals“, erinnert er sich, „liefen Theaterstücke jeden Mittwoch im Radio. Ich habe also ein gewaltiges Repertoire über meine Ohren kennengelernt.“ Dabei schloss der junge Yannis Kokkos seine Augen und träumte von den Orten, in denen die Geschehen der Stücke stattfanden. So begeisterte er sich früh für das Metier des Bühnenbildners. Auch heute steht das Träumerische, dieses Produkt endloser Vorstellungskraft, im Herzen seines künstlerischen Schaffens. „Mir hat es, als ich meine erste Inszenierung des klassischen Theaters machte, sehr gefallen, dass es galt, den Traum des Regisseurs so authentisch wie möglich auf die Bühne zu bringen“. Es ist eben diese Arbeit des Zeichnens, des auf-die-Bühne-Bringens eines erträumten Stückes, die bei Yannis Kokkos eine wirkliche Leidenschaft für das Theater begründet. Kaum kann man hier auf eine, vielleicht etwas weit hergeholte, aber sinngebende Analogie mit Rousseau, so wie er sich in den Träumereien des einsamen Spaziergängers darstellt, verzichten. Auch Kokkos spaziert durch seine Träume, in denen er den Texten und den Liedern der Theater- und Opernstücke Plastizität gibt. „Mich interessiert alles in diesem Zustand des Theaters, welches sich ernährt von der Willkür, von der Entdeckung eines Schriftstellers oder eines Malers – all das formt eine Kornkammer des Geistes, einen Speicher“. Und aus diesem Speicher entspringen seine Ideen.
Die Rousseu-Analogie scheitert dennoch an der Einsamkeit. Denn einsam fühlt sich Kokkos in seinem Schaffungsprozedere nicht. Ganz im Gegenteil betont er die Wichtigkeit der ‚rencontres‘, der willkürlichen Treffen, „diese Menschen, die man im Leben trifft, welche auf einmal mit ihrem Blick zeigen, dass sie etwas mit ihnen teilen möchten. Es ist dieser freundschaftliche Blick, der mich in meinem Leben vorangetrieben hat“. Er erinnert sich an Regisseure, mit denen er gearbeitet hat und konstatiert schmunzelnd, dass er mit ihnen oft viel geredet hat, über alles außer das Stück, welches sie auf die Bühne brachten. So war es wohl auch mit Antoine Vitez: „Ich stellte mir vor, was er zu dem Stück träumte und es kam dazu, dass unsere Träume aufeinandertrafen und uns zusammenführten“.
Da so viel bei Kokkos dem Traum entspringt, erwartet seinen Zuschauer eine höchste persönliche und intime Darstellung der Texte. Aber vielleicht ist es gerade, weil, Kokkos in solch einer Intimität die Stücke bearbeitet, dass er sagt: „Ich arbeite nicht für das Publikum. Ich denke mir auch nicht: Dies könnte gut zum Publikum passen“. Ganz im Gegenteil fragt er sich, wie er „als Übersetzer auf die persönlichste Art und Weise jene Stücke übersetzen kann“.

Den Traum auf das Blatt bringen

Als Bühnenbildner gehört das Zeichnen zu Yannis Kokkos Alltag. Für ihn ist es ebenfalls einer der wichtigsten Etappen seiner kreativen Arbeit. So werden die Ideen von der ersten Zeichnung bis zur letzten konkreter. Aber wenn die erste Zeichnung gelungen ist, dann entspreche sie oft auch der letzten Zeichnung. Für Kokkos entspricht der erste Instinkt oft der wahrhaftigen Empfindung eines Textes. Er vergleicht den kreativen Schaffungsprozess mit der Odyssee: „Man geht einen langen Weg, man stößt auf Kalypso, auf den Kyklopen Polyphem, aber man muss nach Ithaka zurückkehren, also zu dieser ersten Empfindung des Stückes.“

Ob nun in der physischen Welt, im Kornspeicher des Geistes, in der Odyssee der Konkretisierung der Ideen, so scheint Kokkos immer zu auf Reise zu sein, zwischen dem Erträumten und dem zu Schaffenden. Er ist dennoch nicht im Zwischendrin, nicht zwischen Theater und Oper, nicht zwischen Choreografie und Szenografie, nicht zwischen Griechenland und Frankreich. Yannis Kokkos ist alles zugleich.

SÉRIE GRENIERS DES MAÎTRES, zu Gast war YANNIS KOKKOS, Regisseur, Bühnenbildner, am 26. November 2019, in der Comédie-Française in Paris.

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