THEATERSAISON 17-18, TNS, Premiere Le Camion –

Der LKW

Ursprünglich ein Text von Marguerite Duras. Jetzt ein Theaterstück inszeniert von Marine de Missolz. Gezeigt im Nationaltheater Strasbourg, TNS, am Dienstag, 12.09.2017, mit etwas Verspätung, fünf Minuten nach acht. Es war Premiere. Diese gelungen. Die Nervosität war spürbar. Aber die Professionalität der Schauspieler erlaubte ein gutes gegenseitiges Zuspielen der Worte. Worte, um diese ging es in diesem kurzen (75 Minuten) Stück. Drei Männer stehen auf der Bühne. Die Handlung ist nicht gleich wahrnehmbar. Einer(Laurent Sauvage) spielt die Mitfahrerin, eine ältere Dame; welche wegen einer Autopanne auf der Besuchsfahrt zur Tochter, die in der Entbindung ist, einen LKW(Le Camion) stoppt. Sie hat Glück und darf mitfahren. Im LKW gibt es eine dritte Person(Olivier Dupuy). Diese spricht kein Wort in den 75 Minuten, macht aber umso mehr Bewegungen. Die ältere Dame(ehemals Duras selbst) beginnt zu erzählen; heute gespielt von Laurent Sauvage, zuletzt auf der Bühne TNS(16/17) mit Emmanuelle Béart und Victor de Oliveirain in Erich von Stroheim. Die Stimmung ist düster, aber noch hoffnungsvoll grau; die ältere Dame erzählt ununterbrochen von der Welt; wie sie ist, sein soll, war – ein fortlaufender Erzählfluss über die Menschen der Welt, die über Dinge sprechen ohne zu wissen über was sie reden. Laurent Sauvage’ beständig gleiche Stimmlage gibt der Erzählung die Mystik; zweifelsohne die Ernsthaftigkeit. Es wird klar, dass es nicht möglich ist, sich ihrer Erzählung zu entziehen. Der LKW-Fahrer(Hervé Guilloteau) stellt Fragen; am Anfang spärlich; « wer ist die alte Dame; was will sie; wohin geht sie; warum erzählt sie das alles? » Als LKW-Fahrer verhält er sich diskret, sachlich, unpersönlich; unkompliziert. Er versteht nicht, um was es der alten Dame geht! Er hört zu und fährt den LKW. Auf einer Leinwand sind Bilder einer Autofahrt zu sehen; eine ebene französische Landschaft, karg, spärlich mit Häusern bestückt, teilweise verlassen von ihren Einwohnern; menschenlose Landschaftsabschnitte; die Fahrt dauert Tag und Nacht; dem Ziel entgegen. Der LKW-Fahrer hat sicherlich ein Ziel. Die Erzählungen der alten Dame erscheinen abschnittsweise hoffnungslos; sind eine Analyse dessen was ist. Lange erklärt sie dem LKW-Fahrer Unterschiede zwischen Illusion und Wirklichkeit; ob dieser das versteht ist letztendlich bedeutungslos für den Verlauf der Geschichte; wichtig ist, dass die alte Dame erzählt. Die Regisseurin Marine de Missolz stellt den Inhalt des Films von Marguerite Duras(Le Camion 1977) in den Mittelpunkt ihrer Inszenierung. Eine intensivere Betrachtung Duras’ Worte gelingt beim genauen Zuhören Laurent Sauvage’ Rolle. Die Bilder, Gesten der Schauspieler, Effekte gestalten einen ganzen Text, dessen unmissverständliche Aussagekraft den Zuschauer berührt. Die Schwierigkeit der Verarbeitung der Filmvorlage(Le Camion) für de Missolz’ Theaterstück endet in der Auflage der Weiterverarbeitung einer aktuellen Poesie, offen für alles.

Marguerite Duras(1914-1996), in Saigon geboren und Paris gestorben, ist eine der wichtigsten französischen Autoren der Epoche. Nicht zu Unrecht spricht Frankreich von ihr als die « Große Duras ». Als Schriftstellerin, Filmemacherin und Produzentin hat sie ein reichhaltiges Werk hinterlassen, das nicht spärlich mit Kritik umgeht. Kritik am Mensch im Umgang mit der Welt; Kritik an der Politik im Umgang mit den Bürgern; Kritik an existierenden Gesellschaftsformen; insofern zeichnen ihre vielen Bücher und Filme die Welt aus ihrer Sicht, einer aktiven Mitstreiterin.

(Der LKW) Le Camion. Text Marguerite Duras. Regie Marine de Missolz. Mitarbeit Nicole Deschaumes, Tesslye Lopez, Philippe Berthomé, Matt Elliott. Schauspieler Laurent Sauvage, Hervé Guilloteau, Olivier Dupuy.

Bis 23. September 2017 im TNS. Dienstag bis Samstag um 20 Uhr. Am 23. September um 16Uhr. Telefon 00 33 388 24 88 00.

 

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