DIE PRIESTERIN IPHIGENIE (CÉCILE GARCIA FOGEL) UND IHR BRUDER OREST (VINCENT DISSEZ) IM NATIONALTHEATER STRASBOURG AM 24. OKTOBER 2016.

DIE PRIESTERIN IPHIGENIE (CÉCILE GARCIA FOGEL) UND IHR BRUDER OREST (VINCENT DISSEZ) IM NATIONALTHEATER STRASBOURG AM 24. OKTOBER 2016.

Der Text von JOHANN WOLFGANG VON GOETHE. Die Regie von JEAN-PIERRE VINCENT.

Mit Cécile Garcia Fogel (IPHIGENIE) ; Vincent Dissez (OREST) ; Pierre-Francois Garel (PYLADE) ; Alain Rimoux (THOAS) und Thierry Paret (ARKAS). Gespielt vom 13-25 September 2016 im Théâtre National de Strasbourg/TNS.

Was wir wissen sollten: Entkommen der Opferung an die Göttin Diana (Beschützerin der Frauen und Mädchen), befindet sich Iphigenie seit Jahren im Exil auf der Insel Tauris(Halbinsel Krim im Schwarzen Meer) und ersehnt ihre Rückkehr nach Griechenland. Sie konnte König Thoas(König der Taurer auf der Halbinsel Krim) überzeugen, die Hinrichtungen der ankommenden Fremden zu stoppen; jedoch bleibt seine Bitte um die Hand der Priesterin unerfüllt. Die Ermordungen werden wieder aufgenommen. Zwei junge Männer kommen an, einer davon ist Orest, der Bruder Iphigenies. J. W. Goethe (1749-1832) gibt seiner antiken Heldin, obwohl belastet mit dem Fluch der Atriden (Rache- u. Hassrivalitäten innerhalb der Familie), den göttlichen Ton (Weisheit und Einsicht), der ihr zusteht; und damit, die Möglichkeit der Unterbrechung der Kette von Grausamkeit und Gewalt.

Bekannt wurde JEAN-PIERRE VINCENT mit seiner Arbeit als Theaterdirektor (1975-1983) des Strassburger Nationaltheaters und als Verwalter der Pariser Comédie Francaise bis 1986; danach als Direktor des Théâtre Nanterre-Amandiers (1990-2001); seit 2001 ist er Co-Direktor mit Bernard Chartreux der Compagnie Studio Libre. In der vergangenen Saison zeigte er in Strasbourg Warten auf Godot von Samuel Beckett; jetzt, eine IPHIGENIE als Vertreterin für menschliches Wohlwollen ohne Grausamkeit.

POSITIVE LEIDENSCHAFTEN von Jean-Pierre Vincent:

« Die Ausgangssituation ist vergleichbar mit der beschriebenen von Euripides(griechischer Dramatiker 485–406 v. Chr). Iphigenie ist die Erbin des Fluchs der Atriden, ein Geschlecht verurteilt zum Sterben. Im letzten Moment der Grausamkeit des Vaters entkommen, wurde sie in einer Wolke auf die Insel Tauris gebracht. Als Priesterin der Göttin Diana, ist sie beauftragt, die ankommenden Fremden auf der Insel des Königs Thoas zu töten. Jedoch setzt J. W. Goethe seine Heldin als Kontrast zum Göttlichen und entgegen dem zugedachten Schicksal der Frauen. Sie schafft es, König Thoas inne zu halten und die bestialischen Morde aufzugeben. Das Theaterstück ist dem Ruhm einer Frau zugedacht. Es endet positiv, dank Iphigenie, die Stellung nimmt und sich gegen Sitten und Gebräuche auflehnt. Vom Stück geht eine Anziehungskraft aus. Auf der Bühne gibt es keine grossen Aktionen, keine Morde, keine Spezialeffekte. Das Stück ist gesprochenes Wort; das Gesprochene ist eine Affaire zwischen Leben und Tod. Alles passiert an einem Tag, in einer Nacht, an einem Ort: dem Eingang des Tempels am Schwarzen Meer; am Altar, bei der Blutspur der Opfer, der Enthaupteten. Iphigenie hat als einzige Waffe ihr Wort, ihre Sprache, entgegen Thoas, der sie ehelichen und die Hinrichtungen weiterführen will; entgegen ihrem Bruder, entmenschlicht durch den Wahnsinn; entgegen Pylade, der sie verführt und zum Lügen erwägt, um das Göttinnen Bildnis, die Diana Statue an sich zu nehmen. »

« Die Gespräche auf der Bühne sind heftig. Wiederzufinden sind Bilder eines « Sturm-u. Drangs » – intensive Leidenschaft; es steckt viel Poesie in Goethes Sprache. Bleibt zu hinterfragen, ob diese ihre ursprüngliche Bedeutung behält. Dennoch ist es nicht nur Literatur sondern es sind lebendige Worte. »

Jean-Pierre Vincent zeichnet eine positive Iphigenie:

« …eine beruhigende, eine entlastende. Diese Entlastung kommt von ihrer Kraft und Geradlinigkeit. Ihr beständiges Nein zu den Dingen, wird zu einem Ja zu einer anderen Welt. Damit verweigert sie die ständig Lüge und den Zwang einer männlichen Welt. Jean-Pierre Vincent spricht hier einen guten Ton an; ein Wirken gegen die Zeit der Unterdrückung; mit der Neugründung eines entsprechenden hoffnungsvollen Gedankenguts. »

 

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