Bertolt Brecht’ Ersttheaterstück Baal zeigt wie Poesie entsteht. Im Cabaret: Baal (Stanislas Nordey), der Mensch und der Dichter. Regie Christine Letailleur. Théâtre National Strasbourg. 4-12 April 2017. Foto:Jean Louis Fernandez.

SCHMEICHELN

Eine Zuordnung Baals in eine gemäßigte Zone ist unmöglich. Allein der mythologische Ursprung der Geschichte weist auf Grausamkeit hin. Ohne Rücksicht auf menschliche Belange. Der Ursprung ist göttlich. Die menschlichen Belange sekundär. Dennoch wird aus unüberwindbarer Grausamkeit Poesie. In seinen Lehrjahren, als Zwanzigjähriger, hat Bertolt Brecht (1898-1956) bereits daran gearbeitet, dieses zu bewirken; und bis zu seinem Tod, sein erstes Theaterstück, Baal (1919), verschiedentlich modifiziert. Um so wichtiger ist es heute damit zu arbeiten. Dieses gelingt in besonderem Maße der Theaterregisseurin Christine Letailleur und ihrem Schauspielteam; bezeichnenderweise Stanislas Nordey, Schauspieler und derzeit Direktor des Théâtre National Strasbourg, in der Rolle des Dichters Baal. Zweifellos textuell göttlich – im für und wider der Wortanwendungen von Gewalt und Grausamkeit – und im Auffädeln großartiger Poesieperlen. Ein reflektiertes Meisterwerk des jungen Poeten Brecht. Eine Hymne an den Gott Baal, ungeachtet der Fragwürdigkeit seiner Verletzungen und Missachtungen menschlicher Würde. Die Brecht-Baal Poesie ist beim Zuhören ein Genuss. Dieses besonders in langen Phasen quälender Selbsterkenntnis des Dichters Baal(Stanislas Nordey) und im Dafürhalten seiner eigenen Grausamkeit. In denen Poesie reift. Solche intensiven Gedanken-u. Leidensprozesse spielen sich auf der Bühne ab. Der Zuschauer wird gedanklich vom ursprünglichen Autor Bertolt Brecht zum französischen Übersetzer Éloi Recoing, zur Regisseurin Christine Letailleur, zu den Hauptdarstellern Baal(Stanislas Nordey) und Ekart(Vincent Dissez), zum Schauspielteam geführt. Mit einer Densität, die die Handlung unterfuttert. Die sensible Zusammenarbeit des Theaterteams ist spürbar. Die Geschichte des Dichters Baals endet drastisch. Auch die tiefe Verbundenheit mit seinem Allerliebsten, Ekart, hindert ihn nicht, aus einer Rivalität heraus, diesen aus dem Weg zu räumen. Baals Grausamkeit bleibt faszinierend, allesbeherrschend und endgültig.

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